Reaktion auf die Regierungserklärung von Herrn Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, Herrn Wolfram Günther zum Green New Deal für Sachsen
Rede, Lars Rohwer, Plenum - Donnerstag 11.06.2020
Thema: „Coronakrise und Klimakrise meistern - Mit einem Green New Deal Energiewende, Klima und Artenschutz voranbringen und zu mehr regionaler Wertschöpfung kommen."
- Für ein weiß-grünes Bündnis für die Schöpfung
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Die Bewahrung der Schöpfung ist für uns in der sächsischen Union von zentraler Bedeutung. Belange des Umwelt-, Klima- und Naturschutzes treiben die Menschen weltweit buchstäblich auf die Straße. Die Ausbreitung des Corona-Virus hat die Wirtschaft vielerorts schwer getroffen oder gar – aufgrund des Zusammenbruchs der Lieferketten - zum kompletten Produktionsstopp gezwungen. Um ihr wieder auf die Beine zu helfen, diskutieren wir hier vor Ort Konjunkturmaßnahmen und -impulse, welche zugleich klimaschonend wirken. Das ist für mein Dafürhalten exakt der richtige Weg, denn auf diese Weise hilft sich Deutschland aus der gegenwärtigen Krise herauszukommen und rüstet sich für nächste. Die aktuelle Corona-Pandemie hat uns in einem Maße eingebremst, wie wir es bisher nicht kannten, wir haben das Land und unsere Wirtschaft heruntergefahren und gehen nun wieder an den Start.
In dieser Situation wollen wir notwendige Lösungen im Spannungsfeld
von Ökologie und Ökonomie finden und wirkungsvoll umsetzen. Tatkräftig
stellen wir uns der Aufgabe, die Natur als Quelle unserer Existenz, des
Wohlbefindens und Kultur zu erhalten sowie weiterzuentwickeln. Aufgabe
des Staates ist es vor allem, die richtigen Regeln zu schaffen, damit
Anreize zum umweltfreundlichen Handeln entstehen. Den seit 1990
eingeschlagenen Weg, auf dem wir Umwelt-Altlasten beseitigt und der
wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklung in Sachsen Raum gelassen haben,
wollen wir in der schwarz-grün-roten Koalition in Sachsen fortsetzen
und bestehende Defizite überwinden.
In einem kurzen Zeitraum von 25 Jahren hat sich die lufthygienische
Situation im Freistaat Sachsen stetig verbessert. Dennoch - besonders in
Ballungsgebieten – gilt es, die Luftqualität weiter zu verbessern.
Auch beim Gewässerschutz ist bereits viel Positives passiert. Das reicht
uns aber noch nicht, weshalb wir uns für eine weitere Verbesserung von
Gewässergüte und-struktur einsetzen. Nach dem Hochwasserereignis 2002
haben wir viel in den Hochwasserschutz investiert, Renaturierung
gefördert und den Flüssen Retentionsräume zurückgegeben.
Green New Deal – in 94 Seiten hat EU-Präsidentin Ursula von der Leyen im Dezember 2019 ein 100 Milliarden Umweltschutzkonzept der Europäischen Kommission vorgestellt. Er ist nicht irgendeine Idee, irgendein Vorschlag, sondern ein umfassender Plan, wie sich der Zusammenbruch der Lebenserhaltungssysteme unserer Schöpfung mit europäischen Mitteln verhindern lässt. Erklärtes Ziel ist die Klimaneutralität Europas bis zum Jahr 2050. Bis dahin soll in der EU nur noch so viel Co2 ausgestoßen werden, wie an anderer Stelle kompensiert wird. Ein mutiger und ambitionierter Umbau der Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft bilden die Basis dieses Konzepts.
Heute nun hat uns Herr Umweltminister Wolfram Günther die Eckpunkte für einen sächsischen Green New Deal vorgestellt. Von einem sächsischen Re-Start-Programm ist die Rede, von Generationengerechtigkeit und „doppelter Rendite“ „heute Wirtschaft und Gesellschaft sähen, morgen Wachstum ernten“. Volkswirtschaftlich nachhaltig agieren, soziale Folgekosten vermeiden, in Bildung und Soziales investieren, in Klimaschutz und Klimafolgeanpassung investieren.
Nun also ein DEAL…
Ich gebe zu, ich mag das Wort nicht.
Es mag für manchen semantisch sein, aber wenn mir jemand einen DEAL
anbietet, gehe ich innerlich schon auf Abstand… . Ich weiß, dass das
Wort im angelsächsischen Sprachraum völlig wertfrei benutzt wird, aber
im sächsischen Sprachraum verbreitet das Wort einen faden Beigeschmack -
da könnte mich jemand über den Tisch ziehen wollen…
Wir Sachsen machen keine „deals“.
Aber bevor wir hier über Worte streiten, Herr Minister, nehmen Sie es mir bitte nicht krumm, wenn ich lieber vom „weiß-grünen Bündnis für die Schöpfung“ spreche. Ein solches Bündnis wird eben nicht von oben herab verkündet, sondern es wird miteinander besprochen und vereinbart und dann auch umgesetzt. Miteinander mit den Landwirten, Waldwirten, Landnutzern, den Umweltschützern – einfach den Sachsen.
Wir haben uns in Sachsen zu einer Koalition zusammengetan, um
Antworten auf die Krisen unserer Zeit zu geben, gemeinsam setzen wir
gefundene Lösungen um. Gemeinsam und aus Überzeugung.
Und es sind einige Krisen derzeit zu bearbeiten: die Krise der
Corona-Pandemie und in Folge derer die Krise in der Wirtschaft, die
Krise in den Wäldern, die Klimakrise, die Krise in der Landwirtschaft…
Max Frisch soll einmal gesagt haben: "Krise ist ein prduktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." Sprechen wir also in einem „weiß-grünen Bündnis für die Schöpfung“ von Möglichkeiten zu Verbesserungen, welche wir aus dem bisherigen Verlauf der Corona-Pandemie und zur Entwicklung unseres Weltklimas sehen.
Wir stecken heute Möglichkeiten ab, wie wir die Herausforderungen
unserer Zeit gemeinsam anpacken und bewältigen können. Große
Herausforderungen! Derart komplexe Aufgabenstellungen erfordern
konsequentes Handeln und verlangen stringentes Vorgehen.
Das ist für uns wahrscheinlich eine „Jahrhundertaufgabe“!
Der Wald ist eine besondere Kulturlandschaft in unserer Heimat, für
Menschen und Tiere ist er unverzichtbar und für viele von uns ein grünes
Gold der Erholung und Entspannung. Für ein gesundes Klima leistet er
einen unschätzbaren Beitrag. In der Waldstrategie 2050 wird der weiter
notwendige Waldumbau für Sachsen bestimmt. Wir wollen deshalb mehr und
einen gut durchmischten Wald in Sachsen schaffen und schneller das
ambitionierte Ziel erreichen, dass 30 Prozent der Landesfläche aus Wald
besteht. Dazu werden bis zum Jahr 2030 mindestens 50 Millionen Bäume
sowohl im Staatswald als auch im Privat- und Körperschaftswald, als
Stadt- und Straßenbegleitgrün und als Neuanpflanzungen zur
Walderneuerung und -mehrung gepflanzt.
Mit Blick auf den Klimawandel werden die Koalitionsparteien in einem
breiten Dialog die notwendige Novellierung des sächsischen Waldgesetzes
vorbereiten und dabei die spezifischen sächsischen Strukturen beim
erforderlichen Waldumbau hin zum naturnahen und langfristig
klimastabilen Mischwald berücksichtigen.
Umfangreiche Investitionen in die erneuerbaren Energien, in innovative, klimafreundliche Technologien sind der Schlüssel einer erfolgreichen Klimapolitik und lassen die deutsche Industrie neue Wertschöpfungsquellen erschließen.
Als CDU-Fraktion stehen wir zu den gemeinsamen Zielen im Bereich der
Energie-, Klima- und Artenschutzpolitik, welche im Koalitionsvertrag
verankert sind. D. h. wir bewahren unsere Lebensgrundlagen durch
nachhaltiges Handeln und schützen unsere Natur, die Umwelt und das
Klima. Wir begegnen dem Artensterben und wollen natürliche Flächen
erhalten. Wir gestalten eine innovative und nachhaltige Politik für eine
leistungsfähige, bezahlbare und klimafreundliche Energieversorgung
sowie für eine ökologisch verträgliche, regional wertschöpfende Land-
und Forstwirtschaft.
Wir lassen uns bei der Bewahrung der Schöpfung von klaren Prinzipien
leiten: Wir setzen auf Vernunft statt Ideologie, denn erfolgreicher
Klimaschutz muss konsequent sein UND die Menschen mitnehmen.
Wir setzen auf Technologieoffenheit und auf die Innovationskraft unserer
Forscher und Ingenieure, um die globalen Herausforderungen zu meistern.
Die Menschen in Sachsen benötigen eine Politik, die alles, was schon gemeinsam errungen und geschafft wurde, stärker honoriert!
Was die Menschen nicht brauchen und was ihnen Sorgen bereitet, sind
weitere Verschärfungen im sächsischen Recht und eine Zunahme an
Bürokratie, welche oft hinter der Einführung neuer Maßnahmen vermutet
werden. Zusätzliche Belastungen oder gar Benachteiligungen der Sachsen
gegenüber dem Bundesgebiet oder gegenüber anderen EU-Bürgern geben
Anlass für Ängste und Skepsis gegenüber der deutschen Klimapolitik.
Bereits jetzt fordern Unternehmen ein Ende immer neuer Emissionsziele.
Warum? Weil eine Vielzahl von Forderungen den Unternehmern
Kopfzerbrechen bereitet. Viele Branchen befürchten, die Reduktionsziele
mit den existierenden Technologien und bestehenden Prozesse nicht
erreichen zu können.
Unser Ziel in der Politik soll es daher sein, positive Anreize zu schaffen und für erforderliche Unterstützung zu werben. Wir dürfen unsere Unternehmer, Landwirte und Waldbesitzer nicht überfordern, sondern haben den Auftrag, weiter um ihr Vertrauen zu werben und uns konstruktiv für Ihre Belange einzusetzen.
Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung geht dank seines interdisziplinären Ansatzes in die richtige Richtung. Wärmeversorgung und Mobilität sind nun Bestandteile der Energiewende; Wind- und Sonnenenergie, sowie grüner Wasserstoff als Speicher für volatile erneuerbare Energie, die wir in Deutschland produzieren. Gerade hat die Koalition auf Bundesebene beschlossen, 40 Milliarden Euro in neue Klimaschutzmaßnahmen zu pumpen. Rund ein Drittel des Konjunkturpakets zur Überwindung der Corona Pandemie dient dem ökologischen Umbau der Wirtschaft.
Mit rund 9 Milliarden Euro soll der neue Eckpfeiler der deutschen Energiewende aufgebaut werden: die industrielle Wasserstoffproduktion. Das Bundeskabinett verabschiedete gestern die „nationale Wasserstoffstrategie“ mit immens wichtiger industriepolitischer Stoßrichtung. Aus erneuerbaren Energien (Wind und Sonne) erzeugter „grüner Wasserstoff“ soll dazu beitragen, die Klimaschutzziele bis 2030 in Deutschland zu erreichen. Der jetzt geschlossene Kompromiss sieht vor, dass bis 2030 Erzeugungsanlagen mit bis zu 5 Gigawatt Gesamtleistung entstehen sollen. Nach Möglichkeit wird die Elektrolyseleistung bis 2035 (spätestens 2040) um noch einmal 5 Gigawatt erweitert. Große Industrieanlagen zur Wasserstofferzeugung und -verarbeitung werden gebaut. Insgesamt erwartet die Bundesregierung einen Wasserstoffbedarf von 110 Terawattstunden. Von der EEG -Umlage soll grüner Wasserstoff befreit werden. Hier wird deutlich: Grüner Wasserstoff ist ein ganz wichtiger Energieträger der Zukunft! Ein paar Hürden gibt es dennoch zu überwinden: denn der Bedarf an erneuerbaren Energien für die Erzeugung des grünen Wasserstoffs ist immens hoch und liegt bei 5% bis 8% bis zum Zwischenziel 2030. Beimischungsquoten zum Beispiel beim Erdgasnetz könnten hier Abhilfe schaffen. Außerdem erfordert der effiziente Transport und die Speicherung des gasförmigen Wasserstoffs weitere Maßnahmen.
Was mich zum nächsten wichtigen Punkt - dem der erforderlichen Energiespeicherung - bringt. Zu Beginn der Corona Pandemie hat der Einbruch der Wirtschaft und die veränderten Gewohnheiten der Menschen daheim den Energieverbrauch zum einen sinken lassen und im weiteren Verlauf zu Schwankungen im Stromnetz geführt. Inzwischen nimmt der Energieverbrauch erneut rapide zu. Energieerzeugung und Energieverbrauch durchgehend im Gleichgewicht zu halten, erfordert den Einsatz effektiver Speichermedien. Pumpspeicherkraftwerke haben als multifunktionale Kraftwerke das Potenzial, diesen Herausforderungen zu begegnen. Die Pumpspeichertechnologie ist bislang die einzige, langfristig technisch erprobte und kostengünstige Form, um Energie im großen Maßstab zu speichern und kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Ich rufe die Relevanz des Erhalts der Pumpspeicherkraftwerke, wie dem Kraftwerk in Niederwartha, sehr gern in Erinnerung. Im sächsischen Koalitionsvertrag haben wir uns für die Förderung von Speichersystemen ausgesprochen. Dazu werden wir das Volumen des sächsischen Speicherprogramms erhöhen und dieses inhaltlich weiterentwickeln.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
sie merken, ich spreche erst über die Anwendung und Speicherung von
Energie bevor ich über den Ausbau erneuerbarer Energien spreche. Der
Ausbau der erneuerbaren Energien sollte dem lokalen Bedarf folgen. Im
Verteilnetz müssen künftig Stromangebot und -nachfrage miteinander
kommunizieren. Früher waren Netzführungssysteme Stand-Alone-Systeme,
abgeschirmt und physisch massiv gesichert. Heute hängen
Informationstechnik, Energieerzeugung, -verbrauch und -verteilung
voneinander ab. Ohne Investitionen in Resilienzmaßnahmen wird es nicht
gehen. Sachsen verträgt noch viel mehr Photovoltaik auf unseren Dächern
Im Rahmen bundesrechtlicher Regelungen werden wir im Freistaat Sachsen
den Mindestabstand von neuen Windenergieanlagen zur Wohnbebauung auf
1000 Meter festlegen. Auch das schafft Planungssicherheit für alle
Beteiligten, denn Sachsen braucht Energie und wird Energieland bleiben.
Mit unserem „weiß-grünen Bündnis für die Schöpfung“ gehen wir mutig und
gemeinsam diesen Weg. Aus der Corona Krise zu lernen, heißt dem
Umweltschutz und der Energiewende höchste Priorität einzuräumen. Daraus
resultieren große Chancen, aber auch große Aufgaben! Sachsen hat (noch) viel vor!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.