Biedenkopf

Zum Tod von Prof. Kurt Biedenkopf am 12.08.2021

Prof. Kurt Biedenkopf ist gestorben.

Wir wussten alle, dass dieser Tag kommen würde, stolze 91 Jahre ist er geworden. Ein erfülltes Leben und er hat viel erreicht, gerade für uns in Sachsen, wo er unser erster Ministerpräsident war nach der friedlichen Revolution 1989/90 und der Deutschen Einheit. Ich habe mich gefragt, wer war Kurt Biedenkopf für mich? Zuerst habe ich ihn kennengelernt, als ich im JU-Team Biedenkopf war, wo wir ihn bei seiner Wahlkampagne durch ganz Sachsen begleitet haben. Unser Lieblingslied war: „Hier kommt Kurt…“ von Frank Zander „…ohne Helm und ohne Gurt. Einfach Kurt.“

Es war eine unwahrscheinlich schöne Zeit, lebendig und frei. Wir haben ihn angekündigt, wann und wo er auf den Marktplätzen, in den Versammlungsräumen zu und mit den Menschen sprechen würde. Dabei ist er keinem Thema ausgewichen und hat mit seinem wirtschaftsliberalen Blick auf eine soziale und ökologische Marktwirtschaft viele Menschen überzeugt. Er hat unangenehme Wahrheiten an- und ausgesprochen. Dies haben die Sachsen an ihm gemocht.

Der zweite Punkt, der mir einfällt, ist die Biko-WG im Herbst 1990 in der Schevenstraße. Damals so etwas wie eine Pseudo-Staatskanzlei, denn er war noch nicht zum Ministerpräsidenten gewählt worden, aber die Menschen in Sachsen schickten tausende von Briefen, die es zu öffnen und zu sichten galt und alle sollten beantwortet werden. Hier durfte ich mitmachen, obwohl ich nur ein Abitur in der Tasche hatte und meine Berufsausbildung erst später begann. Kurt Biedenkopf traute einem was zu und das motivierte mich als damals 18jährigen Jungspund ungemein. Ich durfte von ihm lernen, wie man die Dinge einordnet, wie man schwierige Gespräche rhetorisch gut führt und wie man gemeinsam überzeugende Lösungen findet.

Mit der Wahl zum sächsischen Ministerpräsidenten zog Kurt Biedenkopf mit dem ganzen Team in die Staatskanzlei am Elbufer um und ich begann mich meiner Berufsausbildung zu widmen bzw. mich zu orientieren und zu bewerben. Ich wollte Bankkaufmann werden und bekam die Zusage bei der Dresdner Bank. Im Januar 1991 kurz vor meinem 19. Geburtstag rückte ich in den 1. Sächsischen Landtag über die CDU-Landesliste nach. Und hier war es Kurt Biedenkopf, der meine Entscheidung unterstützte, neben dem Landtagsmandat meine Berufsausbildung zu machen, dafür gilt nicht nur ihm sondern allen damaligen Landtagskolleginnen und -kollegen mein Dank. Ich kümmerte mich um den Aufbau von demokratischen Strukturen in der Jugendarbeit und ich durfte gleich im Haushalts- und Finanzausschuss mitarbeiten. Als ehemaliger Schülersprecher der Kreuzschule war 1992 die Beschlussfassung des Schulgesetzes für Sachsen - mit dem zweigliedrigen Schulsystem - ein ganz besonderer Punkt für mich und wir haben die Sächische Verfassung in der Dreikönigskirche beschlossen. Besonders erinnere ich mich an eine Jugendpolitische Regierungserklärung, die Kurt Biedenkopf unbedingt im Landtag geben wollte und hat. Wir trafen uns bei ihm in der Staatskanzlei und diskutierten über alle Dinge, was wie in der Jugendhilfe in Sachsen lief und was auch noch nicht. Heute wissen wir, was wir noch hätten anders machen sollen, aber die Zeit war so schnelllebig, dass eben auch Fehler passiert sind. Durch ihn habe ich gelernt, dass es für die politische Kultur gut und wichtig ist, diese Fehler oder Irrtümer zuzugeben - auch wenn es einem schwerfällt. Wer etwas tut, kann Fehler machen oder sich irren. Aber an Fehlern festhalten, dass führt ins Verderben. Politik ist immer gut beraten, sich korrigieren zu können und immer mit einen inneren Kompass für unsere demokratischen Werte, für die Freiheit, für das Leben und die Gesundheit einzutreten. (Nach der erfolgreichen Ausbildung zum Bankkaufmann habe von 1993 bis Ende 1998 in der Dresdner Bank in Görlitz, Dresden und Freiberg meine Brötchen verdient, bevor ich als Nachrücker für Arnold Vaatz in den 2. Sächsischen Landtag kam. Seit 1999 vertrete ich den Dresdner Westen mit dem Direktmandat im Sachsen-Parlament.)

Eine große Persönlichkeit ist von uns gegangen, die viel geleistet hat, der wir viel zu verdanken haben. Bis ins hohe Alter ist Kurt Biedenkopf immer am Puls der Zeit und den jungen Leuten, den frischen Kräften in der Gesellschaft drangeblieben, um selbst geistig fit zu bleiben. Dabei war er immer fröhlich und optimistisch. So werde ich ihn in Erinnerung behalten.In Gedanken bin ich bei seiner Familie in aufrichtiger Anteilnahme.

Ruhe in Frieden und Danke für alles, Kurt.