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Plenum, Sächsischer Landtag, 19.11.2021, Wiedereinführung der Länderöffnungsklausel zur 10-H-Regelung für Windenergieanlagen? Bitte nicht!

Antrag der AfD Fraktion: „Keine Experimente mit der Gesundheit der Bevölkerung – Wiedereinführung der Länderöffnungsklausel zur 10-H-Regelung für Windenergieanlagen.“

(Lars Rohwer:)

"Starten wir in diese Debatte mit der Perspektive der AfD auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Da steht in deren Bundestagswahlprogramm 2021 verankert: „der intransparente Ausbau der Erneuerbaren führe zu einer Belastung für unsere Heimat, unser Lebensgefühl und unsere Natur“. Erneuerbare Energien werden als „ökonomisches Desaster“ charakterisiert. Windenergie sei zu teuer, Windenergie gefährde die Versorgungssicherheit und Windenergie verursache Gesundheitsschäden - durch Infraschall. Teile der Bevölkerung seien langanhaltend negativ wirkenden Frequenzen unter 20 Hertz ausgesetzt mit vermeintlichen Folgen wie die Verminderung der Herzmuskelkraft, Depressionen und Angstzuständen sowie Stoffwechselerkrankungen. Von „medizinischen Großversuchen“ spricht die AfD Sachsen auf Ihrer Internetseite unter dem Stichwort „Kampagnen“- „Ohne Windkraft“

Es ist erstaunlich, wie viele vermeintliche Märchen über die Windkraft Ihre Partei im Internet hofft aufzuklären. Noch viel erstaunlicher ist, wie viele neue Märchen die AfD hinzuerfindet.

Die Lösung sieht Ihre Fraktion nun also in der Einführung der 10-H-Regel in Sachsen. Dies ist eine Regelung, über welche wir bereits 2015, also vor sechs Jahren diskutiert und welche wir aus guten Gründen zur Seite gelegt haben.

Schauen wir uns gern ein Bespiel aus der Praxis an. In Bayern ist die Regelung seit 2016 in Kraft. Was ist der Erkenntnisstand heute? Die 10 H Regelung ist heftig umstritten und selbige führt dazu, dass häufig gar keine neuen Windräder mehr gebaut werden können. Umweltminister Thorsten Glauber will die 10 H Regel de facto wieder kippen. Sein Argument und seine Erfahrung: In Zeiten des Klimawandels ist ein Umdenken notwendig. Recht hat er! Die AfD sollte dies auch tun!

Uns allen liegt ein Klimareport vor, ein Niedrigwasserbericht. Wir alle registrieren, wie auch schon hier im Landtag besprochen, langanhaltende Trockenheit als Herausforderung für alle Landwirte. Sollen wir den gleichen langen Weg der Erkenntnis nehmen oder lernen wir aus den Erfahrungen des südlichen Bundeslandes, des Freistaates Bayern?

Nun fordern Sie die Staatsregierung auf, sich auf Bundesebene für eine Gesetzesänderung einzusetzen, nach welcher Windkraftanlagen nur noch mit einem zehnfachen Abstand ihrer Höhe zu bauen sind. Einmal angesehen davon, dass ich dafür auf der Bundesebene keine, aber wirklich keine Mehrheit sehe, wollen wir noch einmal genau anschauen, was nach einer 10-H-Abstandsregelung ein Mindestabstand vom Zehnfachen der Höhe der jeweiligen Windenergieanlage betragen würde. Bei einer modernen Turbine mit einer Gesamthöhe von rund 240 Metern wäre das ein Abstand von 2400 m Metern. Für Sachsen käme eine solche Vorgehensweise einer totalen Verhinderung gleich. Das ist der Punkt, den Sie wollen – aber Sie sagen es nicht!

Das kann und soll unmöglich unser Ziel sein!

Um es deutlicher zu sagen: Als CDU-Fraktion lehnen wir den ungezügelten Ausbau der Windkraft bzw. eine Verspargelung der Landschaft in Sachsen kategorisch ab.

Selbstredend steht das Wohl der Menschen mit Wohnortnähe zur Windkraftanlage im Mittelpunkt. Im Koalitionsvertrag befürworten wir eine 1000-Meter-Windabstandsregulierung zur Wohnbebauung. Windenergie ist schlicht und ergreifend eine zentrale Säule der Energiewende.

So manche Wirtschaftsansiedlung funktioniert heute gar nicht mehr, wenn wir nicht nachweisen können, dass sie mit grünem Strom versorgt werden kann. Dafür braucht es mehr Anlagen ! Für das Jahr 2024 beträgt das Zubau-Zwischenziel 4 TWh im Bereich der erneuerbaren Energien; hauptsächlich aus Windenergie. Das bedeutet: Bis zum Jahr 2024 soll die jährliche Stromerzeugung im Bereich Wind im Freistaat Sachsen um rund 2 TWh gesteigert werden.

Damit Anwohnerinnen und Anwohner von Windkraftanlagen geschützt sind und bleiben, gewährleisteten Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz beim Ausbau von Windkraftanlagen den Schutz der Menschen und ermittelt Grenzwerte für Lärm, Licht, Auswirkungen von Schall und Infraschall. Eine, wie von der AfD geforderte pauschale Regelung des Mindestanstandes durch die 10 H Regelung ist daher abzulehnen. Sie ist weder sachgerecht noch erforderlich.

Lassen Sie mich beim Thema Gesundheit und Windkraft noch einen Schwenk in die tagesaktuelle Presse unseres Nachbarlandes Frankreich machen: dort erhält ein Ehepaar 110.000€ Entschädigung für gesundheitliche Einschränkungen, die vermeintlich im Zusammenhang mit einem benachbarten Windpark stehen. Vielleicht stand Ihnen dieses Paar Pate bei Ihrer Antragstellung, Kollegen von der AfD. Das Ehepaar klagte über Kopfschmerzen und depressive Verstimmungen und haben nun, Jahre später, Recht gesprochen bekommen. Was wir dabei aber nicht vergessen sollten: Die Anwältin des Paares betonte, dass dies ein ungewöhnlicher Fall gewesen sei. Sie warnte zur Vorsicht, der Prozess lässt sich nicht einfach kopieren. Der besprochene Windpark erzeuge in seiner Konfiguration eine abnorme Belästigung. Doch jeder Fall ist spezifisch und muss untersucht werden.

Laut einer Studie aus Neuseeland klagten Anwohner oft über Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Übelkeit. „Windturbinen Syndrom“ nennt sich das Phänomen. Auch hier bezweifeln Wissenschaftler, dass der von Windrädern verursachte Infraschall krankmachen könne. Die Wissenschaftler nehmen an, dass wohl eher die Sorge, dass der Infraschall der Gesundheit schade, eben jene Symptome die mit dem Windrad-Syndrom in Verbindung gebracht werden, ausgelöst habe und sprachen vom Nocebo-Effekt.

Fakt ist: es gibt Studien, die Auswirkungen der Windkraft auf unseren Körper belegen (das betrifft in der Regel Menschen, die eine Anomalie im Gleichgewichtsorgan besitzen) und es gibt mindestens ebenso viele Studien, die exakt das Gegenteil aussagen. Sie belegen, dass der Geräuschpegel eines Windrades geringer ist als der Geräuschpegel einer Autobahn oder geringer als Infraschall in der Natur (am Meer, im Wald). Da braucht es in Zukunft wohl noch sehr viel mehr unabhängige Studien für gesicherte Aussagen, denn die Medaille hat immer zwei Seiten. Ihre Debatte um die 10-H-Regelung im Sinne des Gesundheitsschutzes unserer Bevölkerung ist meiner Meinung nach also viel Wind um nichts."

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.