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Wahlrecht der Ampel ist in Teilen verfassungswidrig

Die Regierungskoalition hat sich ein Wahlrecht zu ihrem Vorteil geschnitzt, sie hat einen deutlichen Cut gemacht. Es ist ein Wahlrecht gegen das Prinzip des direktgewählten Abgeordneten. Es ist ein Wahlrecht gegen die Opposition. Deshalb haben wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion dagegen geklagt. Aber nicht nur wir. Zusätzlich klagte die bayrische Staatsregierung und die CSU als Partei sowie die Linke (damalige) Bundestagsfraktion und die Partei Die Linke.

Das Ergebnis in Kürze: Die Grundmandatsklausel wird vorerst wieder in Kraft gesetzt. Die Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten hingegen wird bestätigt. In meinen Worten - die Erststimme wird entwertet.

Gerade in unserer gegenwärtigen Rolle als größte Oppositionsfraktion wissen wir es zu schätzen, dass wir das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Rolle als Staatsgerichtshof in Anspruch nehmen und dort unsere Rechte geltend machen können.

Trotzdem müssen wir nicht alles für demokratieförderlich befinden, was juristisch zulässig ist. Das ist heute der Fall.

Lars Rohwer MdB

Wir freuen uns in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über die Urteilsbegründung, in der sehr deutlich der Unterschied zwischen einem simplen Wahlbündnis und einer Fraktionsgemeinschaft, wie der unseren, herausgearbeitet wird. Das Gericht stellt heraus, dass drei Elemente wichtig sind: Erstens die Absicht, aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele eine Fraktion zu bilden, zweitens der Umstand, dass schon bisher eben eine solche gemeinsame Fraktion im Bundestag bestand, und drittens der Verzicht auf Wettbewerb untereinander, indem Landeslisten nur in unterschiedlichen Ländern eingereicht werden. (s. Seite 63)

Der für mich größte Eingriff in das Wahlrecht, wie wir es kannten, war von Anfang an aber, die Veränderung der Erststimmenwertung! Deshalb hier einmal der Blick in die Zukunft.

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Was passiert mit meiner Erststimme?

Jede Wählerin und jeder Wähler hat wie bisher zwei Stimmen. Die Erststimme wird auch weiterhin an Bewerber oder Bewerberinnen vergeben, die konkret vor Ort kandidieren. Diejenigen, die das beste Ergebnis in dem jeweiligen Wahlkreis erhalten, rücken dann - je nach Ergebnis in der Reihenfolge aller anderen ("partei-gleichen") Wahlkreisgewinner - an die Spitze ihrer Landesliste. Die nun auf 630 begrenzten Bundestagssitze werden dann je nach Zweitstimmenergebnis der Partei vergeben.

Es kann also tatsächlich passieren, dass der oder die ursprüngliche Wahlkreisgewinnerin kein Mandat erhält. Laut Bundesverfassungsgericht sei dieser Wahlkreis dennoch nicht verwaist, da der Rest der Landesliste ja im Deutschen Bundestag vertreten sei. Das Gericht urteilt, Wahlkreisabgeordnete seien nicht als Delegierte ihres Wahlkreises anzusehen, da sie Vertreter des ganzen Volkes und allein ihrem Gewissen verantwortlich sind. Dieser Argumentation kann ich nicht folgen! Aus eigener Erfahrung macht es einen riesigen Unterschied, ob man vor Ort wohnt und die Menschen im Alltag kennt, oder ob man anlassbezogen in andere Ecken des Bundeslandes reist. Diese Änderung ist und bleibt in meinen Augen ein Fehler!

Noch einige Details

Hintergrund

Aufgrund der bereits nächstes Jahr wieder anstehenden Bundestagswahl, stand das Gericht unter Zeitdruck. Denn der Verhaltenskodex der sogenannten Venedig-Kommission des Europarats legt fest, dass etwa ein Jahr vor einer Wahl deren Regeln feststehen sollen. Für die Bundesrepublik bedeutet das in diesem Fall im Herbst 2024. Bei Verabschiedung des Gesetzes hatte eine ebenfalls internationale Kommission bereits kritisch angemerkt, dass die breite Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg fehle.

Was wurde von uns eingereicht?

Eine abstrakte Normenkontrolle zur Prüfung, ob Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und des 25. Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 8. Juni 2023 (BGBl I Nr. 147) mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 21 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar und nichtig ist.

(Zitat Bundesverfassungsgericht)

Rückblick

Nach den zwei mündlichen Verhandlungstagen im April dieses Jahres hatte ich mich bereits ausführlich geäußert. Zu meinem damaligen Blog-Eintrag.

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