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18.07.2025 - Maritime Wirtschaft im Fokus – Von der Müritz bis zur Ostsee

Auch in sitzungsfreien Wochen geht die politische Arbeit intensiv weiter - die Sommerpause gibt’s eigentlich nicht wirklich. Als Vorsitzender der AG Elbe und Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages nahm ich an der diesjährigen Studienreise des Maritimen Hauptstadtforums teil. Ziel der Reise war es, weitere Einblicke in die Vielfalt unserer einheimischen maritimen Wirtschaft zu erhalten, aktuelle Herausforderungen zu analysieren und politische Lösungsansätze gemeinsam mit Experten gleich vor Ort zu diskutieren. Gerade für Sachsen und speziell für meinen Wahlkreis ist der maritime Sektor trotz der geografischen Entfernung von hoher Relevanz, da Fragen der Infrastruktur, der Binnenwasserstraßen und der Verbindung zum Seehafenhinterland unmittelbare Auswirkungen auf Wirtschaft, Tourismus und Umwelt haben.

Die Elbe hat aus Dresdner Perspektive als Bundeswasserstraße in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren. Aufgrund viel zu häufiger niedriger Pegelstände ist der gewerbliche Güterverkehr - leider, leider - nahezu zum Erliegen gekommen. Stattdessen gewinnt die touristische Nutzung durch Personenschifffahrt und Radtourismus zunehmend an wirtschaftlicher Relevanz. Infrastrukturprobleme wie der Einsturz der Carolabrücke im Jahr 2024 verstärkten diese Entwicklung zusätzlich. Gerade deshalb war es mir wichtig, im Rahmen dieser Reise mit Vertretern und Entscheidungsträgern der maritimen Wirtschaft in den direkten Austausch zu treten, um die Thematik Elbe bundesweit sichtbarer zu machen und gleichzeitig die gesamte Bandbreite des maritimen Sektors in Norddeutschland kennenzulernen.

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Hightech-Schiffsschrauben aus Mecklenburg

Ein erster Besuch führte uns nach Waren (Müritz) zur Mecklenburger Metallguss GmbH (MMG), einem Unternehmen mit über 150-jähriger Geschichte als Gießereibetrieb. Seit 75 Jahren ist MMG auf die Entwicklung und Herstellung individuell konzipierter Schiffspropeller spezialisiert. Jährlich verlassen mehrere Hundert Schiffsschrauben unterschiedlichster Größen das Werk und werden weltweit exportiert. Besonders beeindruckend war der hohe Qualitätsstandard und die Innovationskraft des Unternehmens. MMG forscht kontinuierlich an neuen Technologien, um Energieeffizienz, Leistungsfähigkeit und Umweltverträglichkeit zu verbessern. Die Propeller tragen nachweislich zur Treibstoffeinsparung bei - ein Plus für Reeder und Umwelt gleichermaßen. Die Kombination aus traditionellem Handwerk und Hightech-Fertigung macht MMG zu einem Vorzeigeunternehmen ostdeutscher Industriekompetenz.

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Maritime Innovation zwischen Wismar und Stralsund

Am Dienstag besuchten wir die Werft von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) in Wismar. Mit einem Investitionsvolumen von rund 220 Millionen Euro wird die ehemalige MV-Werft umfassend modernisiert. TKMS bereitet den Standort auf die Fertigung moderner U-Boote vom Typ 212CD vor, die im Auftrag der deutschen und norwegischen Marine entstehen. Gleichzeitig werden auch zivile Projekte wie der neue Forschungseisbrecher "Polarstern 2" geplant. Die Investitionen schaffen viele neue Arbeitsplätze und stärken langfristig die wirtschaftliche und strategische Bedeutung Wismars als maritimen Industriestandort in Ostdeutschland.

Am Mittwoch folgte der Besuch bei der Weißen Flotte GmbH in Stralsund. Das traditionsreiche Familienunternehmen zählt mit rund sechs Millionen Fahrgästen jährlich zu den größten Anbietern im Passagier- und Fährverkehr in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus. Besonders zukunftsweisend sind die laufenden Projekte im Bereich nachhaltiger Mobilität: Elektro- und Hybridfähren sowie Pilotprojekte zu autonomen Schiffen stehen im Mittelpunkt. Neben dem Linienverkehr bietet das Unternehmen zahlreiche touristische Angebote, von Hafenrundfahrten bis hin zu Naturkreuzfahrten. Der Besuch zeigte eindrucksvoll, wie maritime Tradition mit Innovationsgeist und Umweltbewusstsein erfolgreich verbunden werden kann.

Ebenfalls in Stralsund besichtigten wir die Ostseestaal GmbH. Der Spezialist für maßgeschneiderte 3D-geformte Stahlbauteile beliefert Schiffbau, Offshore-Industrie und Spezialanlagenbau. Gemeinsam mit der Tochterfirma Ampereship realisiert Ostseestaal außerdem emissionsfreie Elektrosolar-Fähren. Das Unternehmen steht für Hightech-Lösungen und verdeutlicht, wie stark die maritime Industrie Ostdeutschlands heute auf moderne, nachhaltige Technologien setzt.

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Stralsund und Wolgast: Werften im Wandel

In Stralsund überzeugten wir uns von der Transformation der traditionsreichen Volkswerft. Der einstige DDR-Großbetrieb hat sich nach dem Rückzug aus dem Schiffneubau in einen vielfältig genutzten maritimen Gewerbepark verwandelt. Heute arbeiten dort rund 20 Unternehmen, die die vorhandene Infrastruktur - von Produktionshallen bis zu Lagerflächen - für unterschiedliche maritime Projekte nutzen. Der Besuch war zugleich ein Rückblick auf die Geschichte des Standorts, der von sowjetischen Fischereiflotten bis hin zu modernen Offshore-Versorgern reicht.

Ein weiterer Höhepunkt war der Besuch der Peene-Werft in Wolgast, einem der bedeutenden Standorte für Militär- und Spezialschiffbau in Deutschland. Im Mittelpunkt stand die Kiellegung der ersten Fregatte der neuen Klasse F 126 - ein zukunftsweisendes Projekt für die deutsche Marine und ein klares Signal für die industrielle Stärke des Standorts. Zudem wurde kürzlich ein LNG-betriebener Zollkreuzer fertiggestellt und übergeben - ein gutes Beispiel dafür, wie auch der staatliche Schiffbau zunehmend auf umweltfreundliche Antriebstechnologien setzt.

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An Bord der Marine: Eindrücke von der Ostsee

Ein ganz besonderer Programmpunkt war die halbtägige Fahrt mit dem Versorgungsschiff der Deutschen Marine, dem Tender "Werra", auf der Ostsee. Bei dieser Gelegenheit ging es quasi als Kontrollfahrt zu einem Offshore-Windpark in der Ostsee. Die Besatzung ermöglichte uns einen unmittelbaren Einblick in die vielfältigen Aufgaben eines solchen Schiffes - von der Versorgung anderer Marineeinheiten auf See bis hin zu technischen und logistischen Abläufen an Bord. Wir konnten die Kommandobrücke, Technikräume und Mannschaftsquartiere besichtigen und erhielten bei einem gemeinsamen Mittagessen in der Schiffsmesse interessante Gespräche über den Alltag auf See, die aktuelle Lage in der Ostsee und die sicherheitspolitischen Herausforderungen im Zuge der veränderten geopolitischen Lage.

Im Anschluss an die Marinefahrt besuchten wir ein AIDA-Kreuzfahrtschiff im Hafen von Rostock. Die Führung gewährte uns spannende Einblicke in Organisation und Logistik eines Kreuzfahrtschiffes mit über 2.600 Gästen. Besonders erfreulich: Sachsen stellt bundesweit die meisten AIDA-Gäste - und auch zwei Kapitäne der Flotte stammen aus unserem Bundesland.

Die Studienreise war reich an Erkenntnissen und Kontakten. Sie zeigte einmal mehr, wie wichtig der maritime Sektor für Deutschland gerade mit dem Blickpunkt Lieferketten ist - wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und technologisch. Als sächsischer Abgeordneter nehme ich viele Impulse mit, insbesondere für die Diskussion über die Zukunft der Elbe als Bundeswasserstraße, aber auch für die Rolle Ostdeutschlands in der maritimen Wertschöpfungskette.