Werner Felber, der am 18. Januar 2024 80 Jahre alt wurde, widmete sein gesamtes Berufsleben der sogenannten Suizidologie. In DDR-Zeiten, genauer ab 1961 wurden die Zahlen zum Suizid zwar noch korrekt erfasst, aber nicht mehr veröffentlicht. Von da an waren sie eine „vertrauliche Verschlusssache“ und nur noch ausgewählten Personen zugänglich. Mit durchschnittlich 31 Suiziden je 100.000 Einwohner pro Jahr lag die Suizidrate der DDR europaweit an der Spitze, war anderthalbmal bis doppelt so hoch wie in der Bundesrepublik. „Diese Zahlen lassen auch erahnen, warum sie in der DDR geheim gehalten wurden“, kommentiert Lars Rohwer. Denn wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven, verbunden in der Sache haben der Politiker und der Psychiater die Suizidgeschichte in der DDR bereits gemeinsam diskutiert. Obwohl die Forschung rund um Suizidalität nur unter erschwerten Bedingungen möglich war, ließ sich Werner Felber nicht beirren und wurde zu einem der führenden deutschen Suizidologen. Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen wurden über Umwege auch in westdeutschen Fachkreisen diskutiert und später erlangte er schnell auch internationale Reputation.
Besonders beschäftigte sich der Psychiater mit der Wirkung von Lithiumsalzen, denen schon Mitte des 20. Jahrhunderts eine antimanische Wirkung zugeschrieben wurde. So war er beteiligt, als in Dresden und Berlin unabhängig voneinander und ohne gegenseitige Kenntnis Lithium-Ambulanzen gegründet wurden, die über viele Jahre mit großer wissenschaftlicher Nachhaltigkeit wirksam wurden. Die antisuizidale Wirkung von Lithiumsalzen wird bis heute geschätzt. Auch wenn mit einer solchen Therapie Nebenwirkungen einhergehen können, konnte in einer Studie von 2013 damit die Zahl der Suizide um 93 % gesenkt werden. (Andrea Cipriani, Universität Oxford)
Bei aller wissenschaftlicher Arbeit war Werner Felber immer Diener der Gesundheit seiner Patienten. 1975 übernahm er beispielsweise die Leitung der Dresdner Suizidambulanz. Hier wurden alle Patienten des gesamten Universitätsklinikums Carl Gustav Carus nach einem Suizidversuch erfasst und behandelt. Werner Felber begleitete in seinem Berufsleben unzählige Patienten, bevorzugt ambulant und mit der Überzeugung besonders die Fortführung des Gesprächsangebots mache den Unterschied. So mussten in seiner Zeit in der Suizidambulanz nur 10% der Patienten nach Suizidversuch stationär aufgenommen werden. Unabhängig von der Art der Verletzungen, die ein Patient durch einen Suizidversuch erlitten hat, schaute Werner Felber immer darüber hinaus: Es spielen neben medizinischen und psychotherapeutischen immer auch juristische, historische und philosophische Aspekte eine Rolle. Diese breite Aufstellung des Themas erlebt auch der Abgeordnete Lars Rohwer in seiner Beschäftigung damit im Bundestag. Dort soll in diesem Jahr eine solide gesetzliche Grundlage für die so dringend notwendige Suizidprävention erarbeitet werden.
Mit weit über 230 Publikationen zu Suizidalität, Affektiven Störungen, Lithiumbehandlung, Psychopharmaka, Medizingeschichte u. a. prägte Werner Felber sein Fachgebiet.