Der 24.02.2022 ab 4.15 Uhr hat sich bei mir tief eingebrannt.
In dieser Nacht sind die ersten Raketen außerhalb der bereits umkämpften Ost-Ukraine geflogen, die ersten Bomben gefallen.
Ich verstehe, dass viele Menschen Angst haben in der jetzigen Situation; dass Menschen Angst haben vor diesem bewaffneten Konflikt. Vielleicht ist es weit hergeholt: Aber 1989 haben wir unsere Angst vor der Stasi überwunden, unsere Angst abgeholt zu werden, im Gefängnis zu landen. Trotzdem sind wir auf die Straße gegangen und haben in Dresden die Stasi-Zentrale besetzt. Schon damals war es wichtig, sich von der Angst zu lösen. Das müssen wir uns heute wieder vergegenwärtigen. Wir müssen uns von diesem lähmenden Gefühl lösen können und zu einem vernunftbasierten, rationalen Handeln kommen.
Dass die Europäische Union nicht deckungsgleich mit dem Kontinent Europa ist, ist bekannt. So gehören die Ukraine und auch Russland ganz prinzipiell zu Europa. Das ist ein geographischer Fakt. Die Beschäftigung mit den Gegebenheiten führt aber nicht daran vorbei, dass offensichtlich die ukrainische, christlich-orthodoxe Kultur unserer europäischen Demokratie und christlichem Wertegerüst näher ist als das Russische. Innerhalb der Ukraine konnte man – bei aller Kritik an Missständen – in den vergangenen Jahren ein großes Interesse an Europa erfahren. Nun erleben wir auf europäischem Boden einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Russland hat dafür keinen einzigen objektiven Grund, der dieses Verhalten rechtfertigen würde.
Warum können wir nicht neutral sein?
Wer auf dem eigenen Territorium angegriffen wird, hat jedes Recht sich zu verteidigen. Als die größte Wirtschaftsmacht unseres Kontinents kann Deutschland dabei nicht neutral bleiben. In unserer globalisierten Welt ist Deutschland auf vielfältigen Ebenen mit Russland und der Ukraine verbunden. Die Wertschöpfungsketten sind international und viele Bereiche unserer Wirtschaft sind abhängig von Lieferungen aus einem der beiden Länder oder Exporte in eben diese. Dennoch: „Frieden und Freiheit sind wichtiger als Wirtschaft“, so formulierte es unser Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz kurz nach Ausbruch des Krieges. Bereits wenige Tage nach dem russischen Angriff hat Deutschland gemeinsam mit seinen europäischen Partnern erste Wirtschaftssanktionen verabschiedet. Diese wurden mittlerweile ausgeweitet und intensiviert. Wir haben uns, und das begrüße ich ausdrücklich, als Bundesrepublik Deutschland klar gegen Russland positioniert. Ich bin der festen Überzeugung: Ob Deutschland Kriegspartei ist oder nicht, entscheidet kein Antrag im Bundestag und keine Bundesregierung. Das entscheidet allein die Einschätzung des Kremls und Putins. Seit der Annexion der Krim haben Länder wie Deutschland und Frankreich versucht zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Augenscheinlich wurden Kompromisse geschmiedet und Abkommen verabschiedet. Im Rückblick können wir erkennen, dass Putin in all der Zeit kein Interesse an einer friedlichen und einvernehmlichen Lösung hatte. Das bekräftigt mich nun auch in meiner Haltung: Putin ist ein russischer Diktator und kein glaubwürdiger Verhandlungspartner. Für Putin existiert nur das Recht des Stärkeren, bei uns gilt der Rechtsstaat. Unserem Demokratieverständnis auf der Basis von Toleranz und wertschätzendem Miteinander auf Augenhöhe kann er nichts abgewinnen. Despoten verstehen nur eine klare Sprache und diese müssen wir bereit sein zu sprechen
Was ist unser „nie wieder“ wert?
Aus der historischen Last des Völkermords an den Juden haben wir in der deutschen Erinnerungskultur das „Nie wieder Krieg“ abgeleitet. Aus genau diesem Grund haben wir uns in der Vergangenheit zurückgehalten aktiv Waffen in Krisengebiete zu liefern. Nun erleben wir aber russische Politiker, die davon sprechen die Ukraine „entnazifizieren“ zu wollen. Wir müssen im Hinterkopf behalten, dass die russische Kommunikation ganz bewusst gewisse Worte nutzt. Sie versuchen damit bei uns eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Unter einem „Nazi“ verstehen wir etwas vollkommen anderes als Putin. Jeder, der anders denkt als die russische Führung, wird von ihm als Nazi betitelt. Dennoch: Die Herrschaft der Nationalsozialisten, die Gräuel dieser Zeit sind hinreichend bekannt. Es ist mir ein Rätsel, wie man also ernsthaft zu einer solchen Aussage der Entnazifizierung kommen kann. Die Ukraine wird von einem jüdischen Präsidenten regiert, dessen Familie wie so viele andere Mitglieder im Holocaust verloren hat. Die Absurdität dieser von Russland so genannten „Militärische Spezialoperation“ zur angeblichen Entnazifizierung der Ukraine zeigt sich auch an den heutigen Opfern. Boris Romantschenko wurde 96 Jahre alt und hat während der NS-Herrschaft mehrere Konzentrationslager überlebt - nun ist er bei einem russischen Bombenangriff in der ukrainischen Stadt Charkiw getötet worden. Die Logik erschließt sich wohl nur Putin und seinen Anhängern. Innerhalb von Europa kommen wir an einer moralischen Verpflichtung zur Unterstützung der Ukraine also aus meiner Sicht nicht vorbei.
Warum liefern wir Waffen?
Die russischen Truppen haben die Ukraine ohne Anlass angegriffen. Wir unterstützen dieses Land, damit es den Angriff und Krieg abwenden kann. Sollte die Ukraine verlieren, ist es meine feste Überzeugung würde Russland das nächste Land angreifen. Die CDU/CSU-Fraktion will alles tun, um die Selbstverteidigung der Ukraine zu stärken. Niemand befürwortet leichtfertig den Einsatz militärischer Gewalt. Aber: „Hier sollte Deutschland nicht der Bremser bleiben“, sagte unser Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz mit Blick auf die Lieferungen von anderen NATO- und EU-Partnern. Mit dem gemeinsamen Antrag vom 27. April 2022 bekennen sich die Fraktionen der Regierungskoalition und der CDU/CSU zur umfassenden Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor, auch mit der Lieferung schwerer Waffen.
Warum es auch ein geopolitischer Wirtschaftskrieg ist
Die Sanktionen gegen Russland führen dazu, dass Russland andere Abnehmer für Öl, Gas und Kohle finden muss, um das Land und den Krieg weiter finanzieren zu können. Dabei wird China eine wesentliche Rolle spielen. Bereits im Februar hat Russland mit China Verträge über die Abnahme von Öl und Gas im Volumen von umgerechnet gut 100 Milliarden Euro geschlossen. Neben den billigen Löhnen könnte der günstige Ankauf von Rohstoffen aus Russland als zweiter Standortfaktor für China das Land als Großmacht stärken. Gleichzeitig beobachtet China die Reaktionen der Europäischen Union und der freien Demokratien sehr genau, da China seit dem Ende des chinesisch-japanischen Krieges Herrschaftsansprüche auf das Territorium Taiwan äußert.
Wir sprechen davon, dass die Ukraine die Freiheit Europas verteidigt. Dabei müssen wir sie unterstützen. Denn wir wollen die Sicherheit Europas schützen. Es geht nicht darum Putin zu entmachten. Das ist eine innenpolitische Angelegenheit, die die russische Bevölkerung zu entscheiden hat und regeln muss. Was unsere deutsche Perspektive betrifft, gilt: Russland muss diesen Angriff und Krieg aufgeben. Putins Truppen müssen sich aus der Ukraine zurückziehen und das Selbstbestimmungsrecht dieses schwer getroffenen Landes muss wieder hergestellt werden.
Abgesehen von der Lieferung deutscher Waffen an die Ukraine leistet die Bundesrepublik Deutschland und unsere Gesellschaft noch sehr viel mehr für die Ukraine.